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Unsere Forderungen zum Wohnen in der Ausbildung

Gute Lösungen für die Wohnungsfrage zu finden ist seit jeher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Wohnsituation von jungen Menschen verdient dabei besondere Beachtung. Wird eine Ausbildung begonnen, muss häufig umgezogen werden, um lange Wegestrecken zu vermeiden. Gewinnorientierte Wohnungsfirmen haben ein Leichtes daran, Wohnungen über Wert an Menschen zu vermieten, die unter zeitlichem und finanziellen Druck stehen, eine neue Wohnung zu finden.

Eine Studie aus dem Jahr 2021 der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung (Holm, Andrej; Regnault, Valentin; Sprengholz, Maximilian; Stephan, Meret: "Muster sozialer Ungleichheit der Wohnversorgung in deutschen Großstädten Forschungsförderung Working Paper") zeigt, dass immer mehr Haushalte mehr als 30 % ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben. Je weniger das Nettoeinkommen beträgt, desto mehr wird anteilig für die Miete ausgegeben. 12 % der Haushalte in den 77 deutschen Großstädten geben mehr als die Hälfte ihres verfügbaren Einkommens für Miete aus. So bleibt nur noch wenig Geld für die übrige Lebensunterhaltung.

Zu dieser Gruppe gehören auch junge Menschen, die sich in Ausbildung oder Studium befinden. Laut der Studie fehlt es insbesondere an kleinen, bezahlbaren Wohneinheiten (maximal 10 Euro pro Quadratmeter). In den Jahren zwischen 2006 und 2018 ist die Zahl dieser Wohnungen von 1,7 Millionen auf 1,2 Millionen gesunken. Gerade Auszubildende und Studierende benötigen solche Wohnungen. Diese Zahlen sind für uns alarmierend und wir verstehen diese als Signal zum sofortigen Handeln.

Tarifpolitische Grundsätze von ver.di erweitern

Viele alte Krankenhäuser haben es gezeigt: Personalwohnheime sind begehrt und arbeitsnah. Mit der Einführung von Berufsschulwohnheimen ab einer festgelegten Anzahl an Auszubildenden kann ein solches Modell übernommen werden. Auszubildende erhalten mit ihrem Ausbildungsvertrag die Möglichkeit, einen günstigen und zugleich lebenswerten Wohnplatz zu erhalten. Im Anschluss an die Ausbildung unterstützt der Arbeitgeber dabei, die Auszubildenden bei Übernahme in eine anschließende Wohnsituation zu überführen.

Eine weitere Methode, Wohnraum für junge Menschen zu schaffen, sind Kurzzeit- Mietmodelle. Hier können Kooperationen mit bestehenden Genossenschaften gefunden werden, sodass gemeinschaftlich getragenes Eigentum von jungen Menschen genutzt werden kann. Kann ein*e Arbeitgeber*in nicht von sich aus Wohnraum zur Verfügung stellen, muss es Auszubildenden dennoch möglich sein, sich Wohnraum leisten zu können. Deshalb muss der Zugang zu Wohngeld und Ausbildungsbeihilfe vereinfacht werden.

Da Berufsschulen oft nicht am selben Ort wie die Ausbildungsstelle liegen, müssen viele Auszubildende große Wege auf sich nehmen. Um eine bezahlbare Möglichkeit für Auszubildende zu schaffen, müssen extra Wohnheime für den Besuch an Berufsschulen geschaffen werden. Neben den finanziellen Anreizen bietet es auch für Auszubildende mehr Möglichkeiten bezüglich sozialer Zusammenarbeit mit anderen Auszubildenden, sodass durch gemeinsames Lernen auch ein besseres Vertiefen des Lernstoffes erzielt wird. Viele Auszubildende müssen dann zwei Mieten stemmen: Die Miete für die Unterbringung in der Nähe der Ausbildungsstätte und jene für die Unterbringung in der Nähe des theoretischen Unterrichts. Allerdings sind die Kosten für das Anmieten eines zweiten Wohnraums nicht unerheblich. Wir fordern eine anteilige Übernahme der Kosten für die Unterbringung in Berufsschulwohnheimen durch die Arbeitgeber*innen und möchten dies als tarifpolitischen Grundsatz aufnehmen.

Da die Ausbildungsvergütungen (Mindestausbildungsvergütung 2022: 585 Euro brutto) oftmals zum Leben in einer Großstadt nicht ausreichen, sollten große Arbeitgeber*innen eigene Wohnangebote schaffen, um ihre Auszubildenden in der Nähe der Ausbildungsstätte unterbringen zu können. Die Miete für eine solche Unterbringung sollte nicht gewinnorientiert sein, sondern kostendeckend und maximal 8 Euro pro Quadratmeter betragen. Derartige Mietmodelle sollten aus unserer Sicht zur Fürsorgepflicht der Arbeitgeber*innen gehören, denn eine gute Wohnsituation stärkt den Fortschritt der Ausbildung in beträchtlichem Maße. Zudem sollte Infrastruktur, wie z.B. Internet und Kochmöglichkeiten in die Wohnheime den Auszubildenden und dual Studierenden zur Verfügung stehen. Diese Wohneinheiten sollten den Auszubildenden und Studierenden für die Zeit ihrer Ausbildung angeboten werden. Eine Möglichkeit dies umzusetzen könnten Kooperationen mit Wohnungsgenossenschaften sein oder die Investitionen in den Kauf und Bau in eigene betriebliche Wohnstätten. Ein Beispiel für ein solches Modell liefert die hauseigene Immobilienfirma von Volkswagen. Wir fordern die Einbeziehung von Kurzzeit-Mietmodellen für große Arbeitgeber*innen in die tarifpolitischen Grundsätze von ver.di. Außerdem sollen die weiter oben aufgeführten Forderungen nach Möglichkeit in Tarifauseinandersetzungen berücksichtigt und aufgenommen werden.

Allgemeine politische Forderungen

Jedes Jahr ziehen mehr und mehr Menschen in Städte. Funktionierende Strukturen des ÖPNV, eine zuverlässige Infrastruktur, ein erreichbares Gesundheitssystem und der kürzere Weg zum Arbeitsplatz zieht die Menschen an. Dies sorgt einerseits für Wohnungsnot, andererseits auch für den Leerstand von Immobilien im Umland. Zugleich haben nicht alle den Wunsch, in der Innenstadt einer Metropole zu leben. Viele junge Menschen haben das Bedürfnis nach einem Leben auf dem Land. Sie wollen allerdings nicht auf soziale Infrastruktur wie z. B. Gesundheitsversorgung, eine gute Internetanbindung und Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten verzichten. Daher ist häufig ein PKW notwendig, um die täglichen Bedürfnisse erfüllen zu können. Individualverkehr ist jedoch weder für alle Menschen finanziell möglich, noch die richtige Antwort, um die Klimakrise zu bekämpfen. Wir fordern den Ausbau der erforderlichen Infrastruktur, insbesondere des öffentlichen Nahverkehrs, um auch das Leben auf dem Land attraktiv und möglichst klimaneutral zu gestalten.

Um die Situation für Auszubildende zu verbessern, die in kleinen Betrieben arbeiten, wollen wir einen einfacheren Zugang zu staatlichen Unterstützungen wie Wohngeld oder Ausbildungsbeihilfe. Dies schließt ein, dass auch Auszubildende aus Staaten außerhalb der EU einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) haben sollen. Zudem sollten auch Menschen BAB erhalten, die sich in der Zweit- oder Drittausbildung befinden. Das hilft sowohl den Auszubildenden als auch den Betrieben.

Die Politik muss im Hinblick auf die Wohnungsnot endlich in die Verantwortung genommen werden. Mit der Entscheidung zum Berliner Mietendeckel vom 15. April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht die Gesetzgebungskompetenz zum Mietpreisrecht in die Zuständigkeit des Bundes verwiesen und das Berliner Modell einkassiert. Wir fordern daher, dass die Bundesregierung ihre Verantwortung in diesem Bereich wahrnimmt und eine gesetzliche Deckelung von Mietpreisen vornimmt.

Dringenden Handlungsbedarf sehen wir zudem im Bereich des kommunalen Vorkaufsrecht, einem der wichtigsten Instrumente gegen Verdrängung, mit dem Kommunen zum Verkauf stehende Immobilien sichern können, um die Rechte der Mieterinnen und Mieter zu schützen und die Wohnungen in den Besitz von gemeinwohlorientierten Unternehmen zu bringen. Auch hier hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021, das das Vorkaufsrecht stark einschränkt, einen erheblichen Rückschlag für Mieterinnen und Mieter bedeutet. Wir fordern, dass die Bundesregierung entsprechende Änderungen im Baugesetzbuch vornimmt, damit Kommunen das Vorkaufsrecht wieder rechtssicher ausüben können.

Und nicht zuletzt ist für adäquate Lösungen für die Wohnungsnot auch eine sichere Datengrundlage notwendig. Der Mietspiegel stellt in dieser Hinsicht kein geeignetes Instrument dar, da er weder alle aktuellen Mietpreise abbildet, noch Auskunft über Struktur der Eigentümer*innen gibt. Daher fordern wir die Einführung eines bundesweiten Mietkatasters für Wohnen und Gewerbe, in dem auch die tatsächlichen Eigentümer*innen registriert werden, damit der gesetzliche Schutz von Mieter*innenrechten nicht durch Briefkastenfirmen und nebulöse Firmenstrukturen ausgehebelt werden kann.

Gemeinsam mit dem DGB

Nicht nur unseren Wirkungskreisen ergeht es schlecht in der Wohnungssuche. Wohnraumknappheit und zu hohe Mieten betreffen alle Branchen. Deshalb fordert die ver.di Jugend den DGB auf, im Rahmen des nächsten Ausbildungsreport auch das Wohn- und Umzugsverhalten von Auszubildenden zu erfragen, um Vergleichswerte zum letzten zu erfassen.

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