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Jugendlicher wirkt bedrückt.

Von wegen Chancengleichheit

Nur wenigen Kindern aus Arbeiterfamilien gelingt der Bildungsaufstieg.

Marcel und Leonie sind Freunde und gehen auf die gleiche Grundschule. Leonies Eltern haben studiert, während Marcels Eltern eine berufliche Ausbildung absolviert haben. Wer von beiden besucht später die Universität und erhält einen akademischen Abschluss?

Sehr wahrscheinlich Leonie. Denn noch immer studieren Kinder von Akademikern dreimal häufiger als Kinder, deren Eltern nicht an einer Hochschule waren.

Das Beispiel zeigt: Bildungschancen sind in Deutschland noch immer ungleich verteilt. Nur wenigen Kindern aus Arbeiterfamilien gelingt der Bildungsaufstieg und das, obwohl formal alle die gleichen Chancen haben sollten.

Woran liegt's?

Kinder aus einkommensschwachen und „bildungsfernen“ Milieus geraten häufig bereits in der Schule ins Hintertreffen. Ihre Eltern können oft weniger bei den Hausaufgaben helfen, weniger Bücher kaufen und weniger Geld in Lernmittel oder Nachhilfestunden investieren.

Da ihre Eltern außerdem keine Erfahrung mit dem Hochschulsystem haben, ist es für Arbeiterkinder oftmals viel schwieriger, sich in den ersten Semestern an der Uni oder Hochschule zurechtzufinden.

Warum ist das ein Problem?

Bildung ist eine der drängendsten sozialen Fragen des 21. Jahrhundert, denn in einer Wissensgesellschaft sind Bildung und Ausbildung entscheidend für den beruflichen Erfolg jeder Person - eine gute Ausbildung ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches und unabhängiges Berufsleben.

Das heißt aber auch, wer früh den Anschluss verliert, hat später kaum noch Chancen aufzuholen.

Jugendarmut

Laut dem Monitor Jugendarmut ist die Armutsgefährdungsquote mit 25,5 Prozent unter den 18- bis 24-Jährigen so hoch wie in keiner anderen Altersgruppe.

Grund hierfür sind prekäre Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnisse. Für die Ausbildungszeit sind junge Menschen oft auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Aber gerade für Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten stellt dies eine Hürde dar, denn ihre Eltern können sie nicht unterstützen.

Ähnlich verhält es sich beim Berufseinstieg. Trotz Fachkräftemangel leiden junge Beschäftigte verstärkt unter Befristungen: Über ein Viertel von ihnen hat nur einen befristeten Vertrag und blickt in eine unsichere Zukunft.

Mindestausbildungsvergütung

Als ver.di Jugend setzen wir uns seit Jahren für ein Ende zu niedriger Ausbildungsvergütungen ein. Ob tariflich oder durch eine Mindestausbildungsvergütung: Junge Menschen in der Berufsausbildung haben ein Recht, auf eigenen Beinen zu stehen!

Wir haben es im Rahmen von #unbezahlt geschafft, dass auch Auszubildende in vielen Branchen im Gesundheitswesen endlich eine Ausbildungsvergütung bekommen! Auch die gesetzlich unterste Haltelinie der Ausbildungsvergütungen - die Mindestausbildungsvergütung - ist ein Erfolg der Gewerkschaftsjugend.

Der aktuelle Vorschlag der Bildungsministerin von 515 Euro reicht uns allerdings nicht aus - wir fordern mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung für alle Auszubildenden! Für das Jahr 2018 wären das mindestens 660 Euro im Monat.

Gibt es Finanzspritzen für den Bildungsaufstieg?

  • in der Ausbildung: Ausbildungsbeihilfe

Azubis mit geringer Vergütung und/oder hohen Wohnkosten z.B. in Großstädten können beim zuständigen Arbeitsamt einen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) stellen. Ähnlich wie beim BAföG werden hier Einkommen und Lebenshaltungskosten in die Berechnung der Beihilfe einbezogen.

Die BAB wurde in diesem Jahr erhöht und beträgt damit:
- ab 1. August 2019: 716 Euro im Monat
- ab 1. August 2020: 723 Euro pro Monat.

Das ist ein wichtiger Schritt, denn er ermöglicht Auszubildenden für ihre Ausbildung, in eine andere Stadt zu gehen und unabhängig von den Eltern zu leben.

  • im Studium: BAföG

Um die Chancengleichheit in der Bildung zu erhöhen, gibt es das Bundesausbildungsförderungsgesetz – kurz BAföG. Das BAföG ist eine Sozialleistung und wird an Schülerinnen und Schüler, Azubis in schulischer Ausbildung und an Studierende vergeben. Es wird beim zuständigen Amt für Ausbildung oder beim Studierendenwerk beantragt.

2019 wurden auch die BAföG-Sätze an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst. Ab dem Wintersemester 2019 steigt der BAföG-Höchstsatz von derzeit monatlich 735 Euro auf 861 Euro. Als ver.di Jugend begrüßen wir diese überfällige Anpassung des BAföG, sind aber noch lange nicht zufrieden.

Das reicht noch nicht!

Studien zeigen seit Langem, dass BAföG und BAB alleine nicht ausreichen, um für Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. Als ver.di Jugend fordern wir daher weitere Maßnahmen.

An Schulen müssen Bildungsangebote die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder ernstnehmen. Gemeinsames Lernen fördert nachweislich die schulischen Leistungen und verbessert die Chancen von sozial Schwachen. Außerdem halten wir die Lernmittelfreiheit und die Ausweitung des Schüler-BAföGs für unabdingbar.

Eine höhere Durchlässigkeit ist ein wichtiger Baustein zur Bildungsgerechtigkeit. Wer sich als junger Mensch für die Sicherheit einer Ausbildung entschieden hat, entscheidet sich mitunter im Laufe des Berufslebens doch für eine Weiterbildung oder ein Studium. Lebenslanges Lernen ist ein wichtiges Thema und muss entsprechend gefördert werden.

Wir fordern von der Politik:

  • dass Jugendarmut endlich ernst genommen wird!
  • dass BAB und BAföG an die Lebensrealitäten junger Menschen angepasst werden und ein unabhängiges Leben ermöglichen!
  • dass Bildung endlich Ungleiches auch ungleich behandelt – individuelle Förderung in kleinen Klassen mit gut ausgebildetem Personal ist dabei essentiell!
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